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Dieter Fuchs Haus Lindlar


Das therapeutische Konzept

Chronisch krank zu sein bedeutet für die meisten Menschen, dass Gestaltungsspielräume der persönlichen Lebensplanung stark eingegrenzt werden. Die individuellen Bedürfnisse nach Interessenbildung, Persönlichkeitsentwicklung und Sinnfindung können von psychisch kranken Menschen nur unter erschwerten Bedingungen ausgelebt werden. Viele Betroffene erlebten Brüche in sozialen Beziehungen, frühere Lebensbereiche gingen verloren oder wurden ersetzt durch solche, die unmittelbar mit der Krankheit in Verbindung stehen. Viele Bewohner dieses Hauses haben schon eine regelrechte Odyssee durch die psychiatrischen Institutionen hinter sich. Die Erfahrungen dort hatten – wie die Krankheit selber - einen großen Einfluss auf die Entwicklung dieser Menschen. Alle diese Erlebnisse prägen die Persönlichkeit unserer Bewohner. Wir sind uns dessen bewusst und achten und respektieren dies. Zugleich stellt es an uns auch die Herausforderung, möglichst viele Aspekte aus den „gesunden“ Lebensabschnitten unserer Bewohner kennen zu lernen, um ein umfassendes Gesamtbild zu erhalten. Es ist uns wichtig, die Fähigkeiten und Interessen unserer Bewohner zu entdecken und so intensiv wie möglich zu fördern.

Neben der regelmäßig von uns durchgeführten Integrierten Gemeinde-psychiatrischen Hilfeplanung (IHP) greifen wir hierbei im Alltag auf zwei sozialpädagogische Methoden und ein ergotherapeutisches Praxismodell zurück. Diese gehen alle drei von der Annahme aus, dass bei chronisch psychisch kranken Menschen große Teile des ureigenen Erfahrungsschatzes verloren gegangen sind. Da dieser jedoch einen elementaren Anteil der gesamten Persönlichkeit ausmacht, ist es umso wichtiger, ihn zu "bergen" und für therapeutische Zwecke zu nutzen.

Die soziografische Rekonstruktion

Die soziografische Rekonstruktion erlaubt es uns, gemeinsam mit den Bewohnern deren Lebensgeschichte Schritt für Schritt zu erforschen und plastisch darzustellen.

Gemeinsam mit den Bewohnern entwerfen wir entlang ihrer eigenen Biographie eine persönliche, soziogeografische Landkarte. Dabei befassen wir uns vor allem mit der „Gesundheitsgeschichte“ des Bewohners. Durch gemeinsame Reisen an frühere Lebensorte und Lebenssituationen wecken wir Erinnerungen und stellen Verbindungen zu guten alten Erfahrungen dar. Es entsteht somit ein Gesamtbild, das alte Ich-Funktionen und Rollen wieder lebendig werden lässt und dadurch zur Entdeckung neuer Lebensperspektiven inspiriert.

Gleichzeitig bietet diese Methode jedoch auch die Möglichkeit, in geschütztem Rahmen Trauerarbeit leisten zu können. Schmerzhafte Brüche in der Lebensgeschichte können aufgearbeitet werden, Verstehen, Entspannung und Versöhnlichkeit können sich einstellen.

Das ergotherapeutische Praxismodell MOHO (Model of human occupation)

Der ergotherapeutische Ansatz geht davon aus, dass kranke Menschen über handlungsorientierte Aktivitäten und Prozesse ihre für ein sinngebendes Leben erforderlichen Kompetenzen entwickeln, erhalten oder erweitern können. Ziel des Praxismodells MOHO ist der Einklang des Klienten mit den Anforderungen seiner sozialen und räumlichen Umwelt. Auch dieses Modell legt besonderen Wert auf die Interessengeschichte und deren spezifische Bedeutung. Des Weiteren werden die Rollen und Betätigungsfelder, die der Klient in seinem Leben genutzt hat, genau erfragt. Da – wie oben bereits erwähnt - das Maß der Betätigungen und Interessen mit der Dauer der psychischen Erkrankung immer weiter abnimmt, kommt der Ergotherapie hier eine wichtige Rolle zu.